Karte 1922
Wilhelm II. Deutscher Kaiser

27. Juli 1900    Rache für die besudelte deutsche Fahne in China: „Pardon wird nicht gegeben“

Nach einer offziellen Kriegserklärung Chinas gegen die Westmächste bekämpfen die „Boxer“ - Mitglieder des chinesischen Geheimbundes Yi-he quan („Faust für Recht und Einigkeit“) - die christliche Missionierung und Industrialisierung Chinas durch „das Ausland. Sie haben dabei die Unterstützung der Kaiserin-Witwe Tzu Hsi. Zuverlässige Nachrichten kommen nicht mehr durch, Gerüchte und Horrormeldungen überschlagen sich:

„Der Aufruhr der Boxer ist in den letzten Tagen immer mehr zu einer Gesamterhebung Chinas gegen die fremden Mächte geworden, er hat sich mit ungeahnter Raschheit über alle Theile des gar nicht so himmlischen Reiches verbreitet... Vor allem aber ist die Gefahr für die in Peking befindlichen Ausländer eine so furchtbare geworden, daß sie in nächster Stunde zum schrecklichen Ereignis zu werden droht.“

Vorher schon waren die deutschen Diplomaten in Peking sind in Gefahr. Kaufleute und Missionare werden getötet. Am 30. Juni kabelt der Vizeadmiral von Bendemann, Chef des deutschen Geschwaders vor China, was die Berliner Morgenpost im Wortlaut zitiert:

“Brief von Gesandtschaft in Peking erhalten, daß dieselbe belagert ist, daß Vorräte ausgehen und die Lage verzweifelt ist. Vom Überbringer des Briefes habe ich erfahren, daß der deutsche Gesandte am 16. Juni ... durch chinesische Truppen angegriffen, viermal verwundet und im Regierungsgebäude verstorben sei.“

Die Ermordung von Klemens Freiherr von Ketteler, des deutschen Gesandten in Peking führt zur Eskalation des Konflikts. Großbritannien, Frankreich, Russland, Italien, Österreich-Ungarn, die USA und Deutschland entsenden ein gemeinsames Expeditionskorps nach China. Bei der Einschiffung zweier See-Bataillone erklärt Kaiser Wilhelm die Sühnung des Mordes zur nationalen Angelegenheit:

„Die deutsche Fahne ist beleidigt und dem Deutschen Reiche Hohn gesprochen worden. Das verlangt exemplarische Bestrafung und Rache.“

Noch fordert der Kaiser seine Truppen auf, ihre Fahnen „rein und fleckenlos und ohne Makel“ zurückzubringen. Doch Wilhelm II. belässt es nicht dabei, nicht lange und er steigert sich in einen ersten Akt nationaler Hybris: Beim Abschied eines weiteren Kontingents hält er am 27.Juli 1900 in Bremerhaven seine berüchtigte „Hunnenrede“.

„Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer Euch in die Hände fällt, sei Euch verfallen! Wie vor 1000 Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen als gewaltig erscheinen läßt, so möge der Deutsche in China auf 1000 Jahre durch Euch sich in einer Weise bethätigen, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“„Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer Euch in die Hände fällt, sei Euch verfallen! Wie vor 1000 Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen als gewaltig erscheinen läßt, so möge der Deutsche in China auf 1000 Jahre durch Euch sich in einer Weise bethätigen, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“

Unter der Zeile „Pardon wird nicht gegeben!“ zitieren die Zeitungen übrigens einen Monat später aus Briefen deutscher Soldaten:

„Die Boxer, das sind chinesische Soldaten, sind reine Bestien. Sie haben den armen Kerlen die Köpfe und die Hände abgeschnitten und mitgenommen. Solche Hunde sind das. Aber wehe Demjenigen, der uns in die Hände fällt, da machen wir es auch so...Die gefangenen Chinesen haben wir alle totgeschossen, aber auch alle Chinesen, die wir sahen und kriegten, haben wir totgeschossen und gestochen.“

Das scheint allerdings nicht nur die Praxis der Deutschen zu sein. „Die Russen und Japaner“, heißt es in einem weiteren Soldatenbrief, „schießen und stechen alles über den Haufen, was ihnen vor den Bug kommt“. Das grausame 20. Jahrhundert kommt langsam in Fahrt...

Le Petit Journal

Herren und Sklaven

Kleiner Deutscher Kolonialatlas

Die Niederschlagung des Boxeraufstandes