Karte 1618

18. Januar 1701: Preußischer Kurfürst krönt sich selbst zum König

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Königskrone Sophie Charlotte von Preußen Auswerfung der Königl. Preußischen Krönungsmünzen und Preisgebung des Tuchs 1701 Friedrich I. von Preußen Die Krönung Friedrichs I.

Friedrich wird König (Hörstück) Kurfürst Friedrich III. kann es nicht erwarten, König zu werden. Trotz Schnee und Kälte bricht er schon am 17.Dezember 1700 mit einem großen Gefolge auf. 300 Reise- und Gepäckwagen, ein Hofstaat von 200 Leuten, 30.000 Vorspannpferde müssen am Weg bereit stehen. Eine gigantische Aktion, vormittags wird gereist, nachmittags gefeiert. Der zwölfjährige Kurprinz Friedrich Wilhelm verabscheut die Kutsche und bewältigt die ganze Strecke von rund 600 km zu Pferde. Nach zwölf Tagen trifft der riesige Tross am Ort der Zeremonie ein.

Dessauer MarschDer König selbst hat sich das Szenarium für das Spektakel überlegt. Zunächst der Umritt von vier Herolden mit der Bekanntgabe des Ereignisses. Pauker, Trompeter voran, die Glocken läuten, Geschütze werden abgefeuert. Die Königsberger wiederholen die Hochrufe: Lang lebe Friedrich, unser allergnädigster König, lange lebe Sophie Charlotte, unsere allergnädigste Königin. Es folgen die Stiftung des Ordens zum Schwarzen Adler und am 18.Januar 1701 die Krönung. Friedrich setzt sich die Krone selbst aufs Haupt und lässt sich erst anschließend von Bischöfen segnen, die er eigens für diesen Zweck ernannt hat. Damit ist die Königswürde von Gott gegeben. Er nennt sich nun Friedrich I., König in Preußen.

RealVideo mit Katharina Thalbach„Am Krönungstage selbst, morgens, bereits vor acht Uhr, erschien Friedrich im großen Saal des Königsberger Schlosses im stattlichsten Krönungsornate: er trug ein Scharlachkleid, dessen Knöpfe Diamanten, je 3000 Dukaten an Wert, waren, und einen Mantel von purpurfarbenem Samt: er war über und über mit goldgestickten Kronen und Adlern bestreut und ward von einer prachtvollen Agraffe von drei großen Diamanten, eine Tonne Goldes wert, zusammengehalten. In diesem Ornate bestieg er den Thron im Saale des Königsberger Schlosses und empfing, nachdem er Sitz genommen, die vom Oberkammerherrn von Kolbe auf den Knien ihm präsentierte Krone, die er sich selber aufsetzte, und darauf die Huldigung der Prinzen des königlichen Hauses. Nach diesem Akt der Selbstkrönung begab er sich in die Zimmer der Königin, um diese zu krönen. Auch sie war im stattlichstem Ornate: sie trug ein Kleid von Goldstoff mit Ponceau-Blumen durchwirkt, in dem alle Nähte und die ganze Brust mit Diamanten bedeckt waren, dazu trug sie noch rechts an der Brust einen Strauß der schönsten Perlen und übrigens einen Purpurmantel mit goldenen Kronen und Adlern, ganz wie der König. Die Krone empfing sie von ihm kniend, aber wie Pöllnitz erzählt, mit so völliger Unbefangenheit, daß sie während der langweiligen Zeremonie durch eine Prise Schnupftabak sich eine angenehme Distraktion zu machen versuchte, was der gravitätische König sehr übel vermerkte und dem Unterfangen durch eine Zurechtweisung seinen wohlverdienten Lohn zukommen ließ.“.

So versteht sie es auf ihre Weise, der Welt mitzuteilen, was sie von der Inszenierung und von ihrem jämmerlichen Königreich hält. Sophie Charlotte, die vornehme, intellektuelle Hannoveranerin, sieht das Ganze eher als peinliches Possenspiel. Sie geniert sich wohl vor den wirklich großen europäischen Höfen. Eine ihrer Hofdamen berichtet: „Die Kurfürstin sei in Verzweiflung, in Preußen die Theaterkönigin ihrem Äsop gegenüber spielen zu müssen.“

Unbeeindruckt von den Empfindungen der Königin geht das Spektakel weiter. Vom gebratenen Ochsen auf dem Schlossplatz wird ein Stück Fleisch für den König abgeschnitten. Auch von den 4000 Liter Wein, der fürs Volk aus zwei Brunnen sprudelt, bringt man einen Becher zur königlichen Tafel. Goldene und silberne Münzen im Wert von 6000 Talern werden unter die Leute geworfen. Ein prächtiges Feuerwerk und eine Illumination beenden diesen ersten Tag einer langen Kette von Vergnügungen und Festlichkeiten, die sich im Frühling in Berlin fortsetzen. Am Ende stellt sich heraus, dass das Ganze sechs Millionen Taler gekostet hat. Vier Millionen nimmt der König jährlich nur ein.

Was hält nun die Welt wirklich von der Erhöhung des Herzogs von Preußen und Kurfürsten von Brandenburg zum König in Preußen? (König von Preußen darf er sich nicht nennen, denn noch gibt es Teile von Preußen unter polnischer Hoheit.)

Europa erkennt das neue Königreich diplomatisch an. Zuerst König August II. von Polen Sachsen, dann, wie versprochen, der deutsche Kaiser, es folgen Dänemark, England, Russland, die Niederlande, die Schweiz, einige Kurfürsten usw.

Die latenten Gegner Schweden, Frankreich und Spanien halten sich zurück aber ziehen später nach. Der Papst protestiert erfolglos. Bald gewöhnt man sich daran, von den Preußen und vom Königreich Preußen zu sprechen und meint damit das Ganze von Kleve bis Memel mit Brandenburg in der Mitte. Dem “ schiefen Fritz“ ist es gelungen, dem zerklüfteten kurmärkischen Besitz einen Namen zu geben, der alles zusammenhält. Zu den existierenden Königen gibt es einen Unterschied. Sie alle sind Regenten von gewachsenen Reichen. Der kleine König aber hat etwas geschaffen, was es bisher nicht gab, er hat sein Königreich gewissermaßen erfunden. Damit ist ihm genialer staatsmännischer Coup gelungen,

Leibniz, das deutsche Universalgenie aus Leipzig und Busenfreund der Königin, zeigt Weitblick: “Die Aufrichtung des Neuen preußischen Königreichs/ ist eine der größten Begebenheiten dieser Zeit/ so nicht/ wie andere/ auf wenige Jahre ihre Wirkung sich erstrecket/ sondern etwas nicht weniger beständiges als vortreffliches herfür gebracht. Sie ist eine Zierde des neuen Seculi so sich mit dieser Erhöhung des Hauses Brandenburg angefangen.“ Sophie Charlotte bleibt unbeeindruckt und schreibt dem Philosophen: “Glauben Sie bitte nicht, dass ich diesen Glanz und die Kronen von denen man hier soviel Aufhebens macht, dem Vergnügen philosophischer Unterhaltung vorziehe, das wir in Lietzenburg miteinander hatten.“